Die Union hat ein Problem. Okay, die Union ist ein Problem. Aber darum soll es diesmal nicht gehen. CDU und CSU haben in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik mal mehr, mal weniger die politische Verantwortung getragen. In den vergangenen Jahren haben sie allerdings das erlebt, was die SPD 2004 mit der WASG erlebt hat: Es gibt eine radikalere CDU/CSU rechts der Partei. Seitdem versuchen führende Unionspolitiker*innen, die faschistische blaue Partei rechts zu überholen. Doch der erhoffte Erfolg bleibt aus, im Gegenteil. Die Union verliert immer weiter, die Faschist*innen führen die Umfragen an. Wieso funktioniert der offene Rassismus der Union nicht bei den Wähler*innen?

Bevor ich zu den politischen Fakten komme, möchte ich zunächst einmal eine Frage stellen, die mich seit einiger Zeit beschäftigt. Ist unser Bundeskanzler schlau und böse, dumm und böse oder dumm und gutgläubig? Je nach Antwort würde meine Bewertung seiner Politik anders ausfallen. Wäre er schlau und böse, würden wir Gefahr laufen, in einer faschistischen Diktatur aufzuwachen. Gegen schlau spricht, dass er so viele unabsichtliche Fehler macht und in der Vergangenheit fast jede wichtige Wahl verloren hat. Sich an den richtigen Stellen dumm zu stellen, kann hier und da zum Erfolg führen. Offenbart eine Person allerdings durchgehend eindeutige Denkfehler, wirkt es auf mich nicht mehr wie Absicht. Und ich meine jetzt nicht nur die strategischen Fehleinschätzungen. Ich meine die Momente, in denen er in Talkshows sitzt und bei wirtschaftlichen Themen voller Überzeugung erhebliche Wissenslücken zeigt.

Ist er böse? Das ist nicht so einfach zu beantworten. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er ein verkommenes Arschloch mit schäbigem Charakter ist. Ich kann mir aber ebenso vorstellen, dass er wirklich glaubt, das Richtige zu tun. Viele Rassist*innen sind davon überzeugt, an etwas Gutes zu glauben und auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Sie sehen die Welt einfach anders, mehr wie Tiere. Einfache Denkmuster, grobschlächtige Lösungen, nicht viel nachdenken, damit der Kopf nicht wehtut. Unser Bundeskanzler wirkt manchmal wie ein Hochstapler, der sich sein Leben lang eingeredet hat, klug und charismatisch und fähig zu sein. Im Patriarchat gibt es genügend Gleichgesinnte, die ihm dieses Bild bestätigen. Jetzt ist der Mann fast 70, denkt, er hätte es drauf, und wundert sich, dass keine seiner Ideen funktioniert.

Die Union ist die Trittleiter des Faschismus

Nun die Quizfrage: Wieso wird die faschistische blaue Partei immer stärker, wenn die Union immer rechtsradikaler wird? Die folgende Antwort wird die Parteistrateg*innen der Union schockieren. Die Wähler*innen verteilen sich auf ein breites Spektrum von politisch gefestigt bis politisch desinteressiert. Die politisch Gefestigten wählen überwiegend gleich, unabhängig von Kandidat*innen und den aktuellen politischen Diskussionen. Daneben gibt es aber auch viele Menschen, die sich von politischen Debatten mitreißen lassen und nach Lust und Laune wählen. Sie wählen so, als würden sie online einen Artikel oder ein Video kommentieren. Genau die sind das Problem.

In Deutschland gibt es traditionell viele Menschen, die rassistisch und rechtsradikal denken. Es gibt einen Grund, wieso der Holocaust gerade in Deutschland auf so breiter Ebene durchgezogen werden konnte. Trotzdem kann der politische Faschismus in diesem Land nur an die Macht kommen, wenn die sogenannten Konservativen mitmachen. Das war schon 1933 so und hat sich seitdem nicht geändert. Politisch gefestigte Rechtsradikale kommen in Deutschland auf ungefähr 20 bis 30 Prozent. Wenn alle anderen Parteien einfach weiter stinknormale Politik machen würden, blieben die Rechtsradikalen unverändert bei maximal 20 bis 30 Prozent. Denn die meisten Menschen wollen gar keinen Faschismus und finden Hitler gar nicht mal so geil.

Mitläufer*innen sind Mittäter*innen

Große Teile der Union, abgesehen von löblichen Ausnahmen wie Daniel Günther, sowie Teile der SPD erkennen das nicht. Obwohl uns die Geschichte (oder Star Wars) immer und immer wieder das Gegenteil gelehrt hat, begehen sie die gleichen Fehler. Sie werden selbst zu Faschisten. Sie verkaufen sich an Russland, bereichern sich mit Maskendeals und Aserbaidschan-Reisen, arbeiten mit Taliban zusammen (!) und schieben Menschen nach Afghanistan ab, sperren Demonstrierende ohne Gerichtsbeschluss ein, sie drehen schlicht durch. Durch die vorgelebte Missachtung von Gesetz und Moral beschädigen sie das Vertrauen in die Demokratie und laden rechtsradikale Themen mit einer nicht vorhandenen Wichtigkeit auf. Und geben den Lust-und-Laune-Wähler*innen das Futter, das sie benötigen, um die faschistische blaue Partei zu wählen.

Was lernen wir daraus? Feuer mit Feuer bekämpfen hilft nur bei Waldbränden. Wer ein brennendes Haus löschen möchte, zündet nicht das Nachbarhaus an. Wer auch noch das Nachbarhaus anzündet, lädt Schuld auf sich. Völlig gleich, mit welcher Intention das Feuer gelegt worden ist. Geschichte wiederholt sich, Menschen lernen nie. Denn die meisten Menschen sind nicht besonnen und reflektiert genug, um das ganze faschistische Spiel zu durchschauen. Menschen werden sich immer wieder aufwiegeln lassen und Dinge tun, die nicht richtig sind. Menschen, die sich für friedliebende Normalbürger*innen halten, stehen im nächsten Moment im Konzentrationslager und sortieren Menschen in arbeitsfähig und Gaskammer. Das ist geschehen. Ganz real. Und es wird wieder geschehen. Ihr Verdienst, Herr Bundeskanzler.