Was bringen Prämien und Steuererleichterungen für Fahrzeuge, die 60-, 70- oder 80.000 Euro kosten? Im ersten Moment klingen solche Maßnahmen nach Reichengeschenken. Darüber mögen sich viele aufregen, für den Stammtisch reicht die Argumentationskette völlig aus. Wenn ich aber entsprechende Kommentare von Spiegel-Kolumnisten lese (wobei das sowieso keine Position ist, die Kompetenz garantiert), frage ich mich, ob mittlerweile wirklich jeder Hobbyschreiberling beim Spiegel seinen Müll absondern darf.
Um vorweg eines klarzustellen: So gut wie jede E-Auto-Förderung ist zielführend, sogar die, die sich die Konzerne in die eigene Tasche stecken. Je mehr sich etwas lohnt, desto mehr Zeit und Geld wird in die Entwicklung gesteckt. So oder so ist das Geld also gut angelegt. Vor allem aber sind Steuererleichterungen für E-Firmenfahrzeuge sinnvoll. Denn Deutsche lieben Firmenwagen. Daran wird sich nichts ändern, egal, wie sehr vernünftige Menschen daran rütteln. Deutschland ist Autoland, hier werden täglich Fahrradfahrer*innen totgefahren und die regierenden Arschlöcher „sichern“ lieber die Staatsgrenzen. Die Deutschen werden niemals auf den motorisierten Individualverkehr verzichten, auf keinen Fall. Auch der beste ÖPNV und die besten Fahrradstraßen werden es nicht ändern. Es wird nicht passieren. Deshalb ist die Wende zur elektrischen Mobilität alternativlos.
Wie schaffen wir die Wende? Dafür braucht es zwei Säulen. Säule Nummer eins: die Infrastruktur. Die ist in Deutschland mittelgut. Ich fahre ein E-Auto und komme klar, ich wohne aber auch mitten in Hamburg. Sobald ich durch Brandenburg flitze, irgendwo laden möchte und die Säulen sind belegt, kaputt oder einfach aus, steigt die Nervosität. Seit Jahren schon plädiere ich für eine Art wetterfeste Steckdose mit automatischer Bezahlung an jedem öffentlichen Parkplatz. Allerdings werden solche Lösungen erst dann realisiert, wenn der allgemeine Druck auf die Infrastruktur steigt. Dieser Druck wird durch zwei wesentliche Treiber erzeugt: Unzufriedenheit und wirtschaftliche Attraktivität. Die Unzufriedenheit erzeugt Druck auf die Politik, die wirtschaftliche Attraktivität auf Versorgungsunternehmen und Investoren. Beide Treiber werden allerdings nur dann aktiviert, wenn Säule Nummer zwei steht: Es müssen möglichst viele E-Autos auf die Straße.
E-Auto-Kaufprämien und Steuererleichterungen: Geschenke für Reiche?
Aber was hat es mit den „Geschenken nur für Reiche“ auf sich? Der große Teil der heute angebotenen E-Autos ist wesentlich teurer als äquivalente Verbrenner. Förderungen von E-Autos zielen daher automatisch auf ein Angebot ab, das allgemein als hochpreisig wahrgenommen wird. Und das, obwohl viele Menschen für ihre Verbrenner gern mehr als 40- oder 50.000 Euro ausgegeben haben. Parallel geht es um die Frage: Wieso sind die E-Autos heute noch so teuer? Ganz einfach: Weil es sich um eine neue Technologie handelt. Neue Technologien sind immer teurer, ob Blu-ray oder Digitalkameras. Und wie werden E-Autos günstiger? Indem sich die Technologie durchsetzt und auf breiter Ebene etabliert. Und das geht nur, wenn während der ersten – teuren – Phase genügend Menschen das Produkt kaufen. Nur dann schafft es eine Technologie in die zweite Phase und wird zum Massenprodukt, zum Standard.
Und wer kauft in der ersten Phase die neue Technologie, obwohl sie noch einige Kinderkrankheiten und Unzulänglichkeiten hat? Richtig: Menschen, die Bock auf Neues UND das Geld haben. Bei E-Autos geht es dann eben um Menschen, die 50.000 Euro für 500 km Reichweite auf den Tisch hauen möchten – und können. Und das sind ganz sicher keine Millionäre, sondern Gutverdienende und viele Unternehmen, die aus wirtschaftlichen und nachhaltigen Gründen auf E-Mobilität setzen. Für Gutverdienende und KMU sind staatliche Anreize häufig entscheidend, die paar Euro mehr auszugeben. Beispielsweise stellt mein Arbeitgeber vielen Mitarbeitenden vollelektrische Firmenfahrzeuge zur Verfügung. Unsere gesamte Flotte ist vollelektrisch. Niemand von uns ist reich, trotzdem profitieren wir alle stark von den Steuererleichterungen. Früher sind wir Verbrenner gefahren. Niemand von uns würde privat je wieder einen eigenen Verbrenner fahren.
Wer Politik von gestern wählt, muss länger auf den Fortschritt warten
Übersetzt heißt das: Aktuelle Fördermaßnahmen (damit meine ich keine konkreten Gesetze, die heute gültig sind, sondern die vielen Maßnahmen, die seit ein paar Jahren immer wieder umgesetzt werden) dienen dazu, mit der Technologie die zweite Phase zu erreichen. Was kritisiert werden sollte: Deutsche Regierungen sind traditionell zukunftsfeindlich und sorgen dafür, dass Deutschland technologisch und somit wirtschaftlich immer weiter abgehängt wird. In der Vergangenheit wurde der sog. Wohlstand dieses Landes durch Ausbeutung erreicht. Zukünftig wird es immer schwieriger, Menschen (ob eigene Bürger*innen oder jene in fernen Ländern, die uns egal sind) auszubeuten.
Daher sollte die Bundesregierung nicht nur Einzelmaßnahmen umsetzen, sondern ein breites zukunftsorientiertes Wirtschaftskonzept. Ist natürlich dämlich, dass wir die Union in die Verantwortung gewählt haben. Hätte man doch stattdessen einen kompetenten Wirtschaftsminister mit Verantwortungsgefühl wählen können, der nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die deutsche Wirtschaft vor dem Kollaps gerettet hat. Na ja, schade. Jedenfalls werden die Hersteller mit dem Erreichen der zweiten Phase ihre E-Fahrzeuge wesentlich günstiger bauen und anbieten können. Dann werden noch mehr Menschen von der E-Mobilität profitieren. Revolutionen benötigen ihre Zeit.