Für viele weiße Deutsche gibt es zwei Sorten Ausländer*innen: die schlechten (alle Menschen aus „ärmeren Ländern“) und die guten (Weiße und Japaner*innen). Meine japanischen Eltern haben mir ein sehr japanisches Aussehen vererbt. Dadurch fühlen sich viele Deutsche dazu ermutigt, mir in der Hoffnung auf Zuspruch ihre rassistischen Ansichten mitzuteilen. Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie man so verkommen kann.

Zum Beispiel waren meine Frau und ich Stammkund*innen eines Weingeschäfts in unserer Nachbarschaft. Der Mann, dem der Laden gehört, kennt uns seit Jahren. Vor der Bundestagswahl hielt er es für eine gute Idee, meiner Frau zu sagen, dass er eine Koalition aus CDU/CSU und den blaubraunen Nazis gut fände. Was zur Hölle denkt sich dieser Typ dabei, so etwas zu meiner Frau zu sagen? Was erwartet er, von ihr zu hören? Dass sie ebenfalls möchte, dass ihr Ehemann vergast wird? Komplett verstörend, sowas. Natürlich kaufen wir seither unseren Wein in anderen Geschäften.

Vor einigen Tagen war ich bei einer Veranstaltung eines Kunden und habe mich mit einem älteren Gast unterhalten. Nachdem wir bereits eine Weile geplaudert hatten, sagte er plötzlich, Friedrich Merz könne nur besser sein als Robert Habeck, denn schlimmer als Habeck ginge ja nicht. Begründen konnte er das nicht, er hatte einfach den Müll der Springer-Faschist*innen wiederholt wie ein Papagei. Da unterhielt er sich also mit mir, einem very much not weißen Typen, und brach eine Lanze für den rechtsoffenen Kanzler, der regelmäßig die Nazis zum Mitmachen einlädt. Gespräch beendet, Geschäftskontakt verpasst, mehr hat er nicht erreicht. Glückwunsch.

Wer nie kämpfen musste, weiß nichts vom Krieg

So ist das. Für viele Deutsche ist Friedrich Merz einfach ein Typ, der hier und da eine unglückliche Figur macht, aber im Großen und Ganzen Ahnung von der Wirtschaft hat. Die ganzen Faktenchecks und Interviews, in denen Merz mit seinem Unwissen vorgeführt wurde, kennen diese Menschen nicht. Und von den unzähligen rechten Eskapaden sind sie nicht betroffen, daher: scheiß drauf, sind ja nur Ausländerratten, die da an den Grenzen verrecken. Diese weißen Deutschen überfliegen ein paar Headlines rechter Blätter, lesen ein paar rechte Meinungen auf LinkedIn (die auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen sind) und meinen, Bescheid zu wissen.

Der Punkt ist: Als privilegierter Mann mit dem richtigen Hautton hast du nichts zu befürchten (außer du bist Kommunist, Sozialdemokrat, behindert, nicht cis oder sonst irgendwie KZ-tauglich). Du bist also in der besonders komfortablen Situation, dich in Ruhe informieren zu können, ohne dass dein verschissenes Leben davon abhängt. Bedeutet allerdings auch: Informierst du dich nicht und sonderst nur dein oberflächliches Nichtwissen in die Welt, bist du Mittäter*in. Du hast vom Holocaust nichts gewusst? Dann bist du in meinen Augen erst recht schuldig.

Lass mich mit deinem Rassismus in Ruhe – und mit deiner Existenz

Ich hatte mal eine Freundin, die regelmäßig rassistische Takes von sich gegeben hat. Natürlich nicht über mich, denn ich war ja einer der guten Ausländer (ich bin Deutscher, übrigens). Mal ging es um Edin Terzić, den ehemaligen BVB-Trainer, der in ihren Augen „kein richtiger Deutscher“ war. Mal um „Araber“, denen sie bestimmte Verhaltensweisen zuschrieb. Jedes Mal, wenn ich sie auf den Rassismus aufmerksam gemacht habe, ist sie ausgeflippt und war sauer auf mich – nicht auf sich selbst. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber: Deutsche haben ein größeres Problem damit, als rassistisch bezeichnet zu werden, als rassistisch zu sein.

Nach dem letzten Ausfall habe ich mich dazu durchgerungen, die Freundschaft auf Eis zu legen. Wer Rassismus nicht ernst nimmt, nimmt ebenso wenig meine Biografie, all den Schmerz, der mich mein Leben lang fast täglich begleitet, ernst. Und wer Betroffenen nicht zuhört, macht sich mitschuldig.