CN: Suizid, Depression, Rassismus

Die sog. AfD wurde vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Für alle, die nicht unter irgendeinem Stein oder hinterm Mond leben, eine nicht gerade bahnbrechende Neuigkeit. Allerdings gibt es immer noch etliche Naziversteher*innen, die das Verbot der rechtsextremen Partei ablehnen. Und damit einem nächsten Holocaust offen gegenüberstehen. Mich hat das an eine heftige Auseinandersetzung mit der Leitung der Waldorfschule erinnert, die ich 13 Jahre lang besucht habe.

Wenn ich es mir erlaube, auf mein beschissenes Leben zurückzublicken, bin ich nicht auf viele Dinge stolz. Allerdings gibt es da schon ein paar Aktionen, für die ich mein jüngeres Ich highfiven möchte. Dazu zählt auch der drastische Satz: „Leute wie Sie haben Hitler zugelassen.“ Der weiße Mann, dem ich das nach meinem bestandenen Abitur ins Gesicht gesagt habe, war über mehrere Jahre mein Deutschlehrer – Hans Henrich K.

Bei Twitter habe ich einmal sinngemäß geschrieben: Deutsche haben ein größeres Problem damit, als rassistisch bezeichnet zu werden, als rassistisch zu sein. Ein wahrer, bitterer Satz, der mit Verzögerung hart ins Gesicht aller Alltagsrassist*innen knallt. Einer dieser Menschen, die der Satz treffend abbildet, war Herr K. Ein Lehrer, der uns Schüler*innen Texte interpretieren ließ, um unsere Interpretationen als falsch zu bezeichnen. Ein Lehrer, der sich vor der Klasse über mich lustig gemacht hat, weil ich als Kind eingewanderter Eltern ein deutsches Wort nicht gekannt habe. So einer war Herr K.

Totalitäre Ideologie als Pädagogik: Waldorfschule Gladbeck damals

Jeder Mensch besitzt einen ganz eigenen Gerechtigkeitssinn. Meiner war und ist so ausgeprägt, dass ich den Schwachen und Benachteiligten helfe – und die Unterdrückenden attackiere. Während also andere Schüler*innen völlig ironiefrei eine Schulzeitung namens „Collegium“ produziert haben (wie tief kann man es sich im Arsch der Lehrer*innen bequem machen?), habe ich die Satirezeitschrift „Leuchtturm“ herausgegeben. Eine Zeitung, die als Parodie auf den Wachtturm die Waldorfschule als Sekte und Rudolf Steiner als Sektenführer abfeierte. Meine Zeitschrift wurde nach einer Ausgabe verboten. Unter der Hand wurden acht Ausgaben produziert, davon die letzte als offizielle Abizeitung (was wiederum eine Lehrerkonferenz nach sich gezogen hat).

Herr K. gehörte zu der Generation der Deutschen, die gedacht haben, man müsse nur sagen, dass man kein Nazi sei, um kein Nazi zu sein. Dabei standen Männer wie er stramm in der Tradition des Gründers der Waldorfschulen. Der tiefbraune Esoteriker und Pseudowissenschaftler Rudolf Steiner wird bis heute verstörend unkritisch verehrt. Seine rassistischen Totalausfälle wurden damals im Unterricht relativiert und verharmlost. Auch das waldorfsche Kunstverständnis hätte perfekt zur Nazizeit gepasst. An der Waldorfschule Gladbeck gab es nur die pastellfarbene, esoterische Waldorfkunst – meine Zeichnungen und Bilder wurden als Schmierereien abgetan. Von einem Waldorflehrer, dessen künstlerisches Können bei der mittelmäßigen Aquarellmalerei endete. Also ich verdiene heute mit meiner Kunst Geld, keine Ahnung, wo Michael F. mit seinen Engelbildern mittlerweile verendet ist.

Was dich nicht umbringt, lässt dich krank zurück

In diesem stark rassistischen, faschistoiden Umfeld mit Sektencharakter und verschwörungstheoretischen Ideologien (meine Mutter hat mir wilde Storys aus der Corona-Pandemie erzählt, da ging es wohl an der Waldorfschule mit ihrem ganzen Schwurblerpack hoch her) bin ich aufgewachsen. Jeder Tag meines Lebens als Schüler war ein Kampf. Als ich 13 war, dachte ich das erste Mal konkret an Suizid. Das ist 30 Jahre her und ich kämpfe immer noch. Meine Schulzeit hat mich psychisch krank gemacht – und die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch, dass ich niemals gesunden werde.

Das alles habe ich damals als Abiturient nicht gewusst. Nicht, wie krank ich damals schon war. Nicht, wie anstrengend sich mein Leben mit all den Spätfolgen noch gestalten würde. Allerdings habe ich schon damals erkannt, wie gefährlich Menschen wie Herr K. sind. Die, die dem Fackelzug schweigend zuschauen. Die den brennenden Bücherhaufen bedauern, während sie dieses Ausländerkind ausgrenzen und bloßstellen. Ich habe diesen Satz gesagt, der damals das Lehrerkollegium erschüttert hat. Es war mir völlig egal, denn ich hatte ja mein Abitur in der Tasche. Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte, während andere geschwiegen haben, und mir deshalb heute nichts vorzuwerfen. Andere haben sich rebellisch gegeben, sich als Punk bezeichnet oder durch ihren harten Alkoholkonsum stark gefühlt. Aber ich war mutig, mutiger als alle anderen – darauf kann ich heute stolz sein.

Wer schweigt, macht sich mitschuldig. Wer gegen das AfD-Verbot ist, macht sich mitschuldig. Am Ende werden sie sagen, sie hätten von nichts gewusst. Wir werden sie trotzdem zur Verantwortung ziehen. Das ist ein Versprechen.