Vor ein paar Jahren habe ich mal bei Twitter ein gemeinsames Foto von mir mit Königin Silvia von Schweden gepostet. Daraufhin kommentierte ein User abfällig, dass die „Photoshop-Qualität“ dieses „Fakes“ nicht besonders gut wäre. Dabei wurde das Bild nicht manipuliert, es ist echt. Ich hätte den Vorfall als Trolling abtun können, allerdings beschäftigt er mich bis heute. Wieso eigentlich?
2017 wurde ich von einer Freundin als Texter engagiert. Meine Aufgabe: Werbetexte liefern für den Ideenwettbewerb für angehende Pflegefachpersonen, den „Queen Silvia Nursing Award“. Dieser wurde bereits in einigen nordeuropäischen Staaten durchgeführt und sollte künftig auch in Deutschland ausgerichtet werden. Als gebürtige Deutsche brachte Königin Silvia, die Gründerin des Wettbewerbs, der deutschen Organisation besonders viel Wertschätzung entgegen. Da ich mit meinen Rechnungen das knappe Budget nicht strapazieren wollte, bot ich der Organisation an, meine Arbeitsleistung kostenfrei einzubringen. Im Gegenzug wurde ich in die deutsche Wettbewerbsjury aufgenommen.
Der Wettbewerb entwickelte sich hervorragend. Jahr für Jahr erreichten uns Hunderte Ideen, die Sichtbarkeit in den Medien stieg immer weiter an. Traditionell wurden alle Gewinner*innen des Wettbewerbs jährlich bei einer großen Feier im Stockholmer Schloss geehrt. Begleitet wurden die Preisträger*innen von den nationalen Delegationen. So kam es, dass ich als Teil der deutschen Jury 2018 ins Stockholmer Schloss eingeladen wurde. Nach der eigentlichen Veranstaltung beobachteten meine Freundin und freie Art-Direktorin Anna Thygs und ich, wie die polnische Delegation das Protokoll ignorierte und ein gemeinsames Foto mit der Königin erschlich. Alle anderen Gäste waren bereits in den Nebenraum gebracht worden und der Aufpasser der Königin (keine Ahnung, wie sein offizieller Titel lautet) war nicht zu sehen.
Mit Geistesgegenwart zum royalen Souvenir
Meine Freundin Anna, ohne die der Wettbewerb nicht in Deutschland gelandet wäre, und ich nutzten die Gelegenheit und fragten die Königin persönlich nach einem gemeinsamen Foto – ein absolutes protokollarisches No-Go am Hof. Allerdings war die Königin völlig entspannt und freute sich über unser Engagement für ihren Pflegewettbewerb. Nach dem Foto hielten wir noch etwas Smalltalk. Dabei erzählte die Königin mir vom bevorstehenden Trip nach Japan. Später bekamen wir einen Riesenärger wegen der ganzen Aktion, wobei der Aufpasser wohl mit dem Theater überspielen wollte, dass er seinen Job nicht richtig ausgeführt hatte. Uns war das völlig egal, denn wir hatten unsere einmalige Gelegenheit genutzt und ein Foto mit der schwedischen Königin in der königlichen Bernadotte-Bibliothek des Stockholmer Schlosses bekommen.
Ein Jahr später besuchte die Königin die Pflegeeinrichtung des deutschen Organisationschefs in Lohne (Niedersachsen). Die deutsche Jury war vor Ort, ebenso Hunderte Schaulustige und Silvia-Fans, viel Polizei und die deutsche QSNA-Gewinnerin. Dabei entstanden weitere Fotos von mir mit der Königin, einmal draußen vor dem Gebäude bei ihrer Ankunft, später dann das offizielle Foto mit der deutschen Jury. Als Werber für einige der größten deutschen Marken und Unternehmen hatte ich bereits häufiger mit prominenten Menschen zu tun. Für mich war die ganze QSNA-Sache zwar sehr spaßig und inhaltlich wichtig, allerdings nichts übermäßig Außergewöhnliches. Vor allem, da ich absolut nichts von Monarchie (insbesondere Erbmonarchie) halte. Auch wenn Königin Silvia eine beeindruckende, kluge Persönlichkeit ist.
Wer andere groß macht, macht sich klein
Dass es doch etwas Besonderes ist, mit der schwedischen Königin abzuhängen und Spargel zu essen (nein, das ist keine Metapher), merke ich erst mit solchen Kommentaren wie den auf Twitter. Es gibt Menschen da draußen, die sich einfach nicht vorstellen können, dass so ein Migrantensohn aus einfachem Hause mit der schwedischen Königin abhängt. Oder dass meine Frau für Otto schreibt und an jedem Geburtstag von Rolf Zuckowski angerufen wird. Natürlich klingt das für Menschen, die zwischen uns hier unten und den Stars da oben unterscheiden, abgefahren oder abgehoben. Ich unterscheide dagegen zwischen Arschlöchern und Nicht-Arschlöchern, Prominenz ist mir völlig wumpe. Aufgeregt war ich nur, als ich Helge Schneider kennengelernt habe, den passenden Helden meiner verkorksten Jugend.
Wieso beschäftigt mich also dieser Twitter-Kommentar eines Menschen, der wahrscheinlich ein ziemlich langweiliges Leben irgendwo im deutschen Durchschnitt führt? Vielleicht, weil ich mir sein Leben genauso wenig vorstellen kann wie er meins. Vielleicht, weil es mich traurig macht, dass viele Menschen nie ihre Komfortzone verlassen werden, um ihr Leben etwas weniger gewöhnlich verlaufen zu lassen. Vielleicht, weil ich mich als depressive Person manchmal daran erinnern möchte, dass mein Leben auf seine ganz eigene Weise doch einen Wert hat. Auch wenn mich meine Krankheit die meiste Zeit etwas anderes denken lässt.